Grid Marrisonie «Marienheim»

Veröffentlicht in Ausstellungen | Kunst (Archiv)

Die ungewöhnliche Geschichte eine mutige Frau mit Vorbildwirkung

Agathe Fessler (1870-1941) aus Bregenz gründete und finanzierte aus eigenen Mitteln das Bregenzer Marienheim und weitere Notunterkünfte für mittellose Mädchen und Frauen. Von 1905 bis 1917 fanden im Marienheim rund 6.000 Bewohnerinnen Schutz vor Armut, Ausgrenzung und Gewalt. Die Künstlerin Grid Marrisonie wurde 2012 auf das leerstehende Marienheim aufmerksam. Fasziniert von der Leere, der Stille und der "ästhetischen Hässlichkeit des verlassenen Gebäudes" fotografierte sie mit einer Analogkamera kahle Kachelwände, verwaiste Wohnräume, dunkle Gänge und das Stiegenhaus. Marrisonie suchte nach der Seele des Ortes.

Grid Marrisonie «Marienheim»
Die Ausstellung ist eine künstlerische Hommage an eine aussergewöhnliche, selbstbewusste und emanzipierte Frau

Dienstbotinnen hatten um 1900 vor allem Pflichten, aber kaum Rechte. Die einzig festgelegte Freizeit war laut Dienstordnung die Freistellung für die Sonntagsmesse. Sie wurden schlecht bezahlt, schlecht behandelt, es kam zu sexuellen Übergriffen. Von einem Tag auf den anderen konnten die Mädchen buchstäblich auf die Strasse gesetzt werden. Aus Solidarität und christlicher Nächstenliebe finanzierte Agathe Fessler Unterkünfte für entlassene Dienstbotinnen. 1914 bekam sie für ihre Verdienste den kaiserlichen Elisabeth-Orden verliehen. Dennoch wurde die Trägerin des einzigen Damenverdienstordens der österr.-ungarischen Monarchie weiterhin von Stadt und Land in ihrem Engagement behindert.
190330 vmB Grid Marrisonie 1Fotos Grid Marrisonie
Grid Marrisonies grossformatige Bilder wirken, als ob in ihnen die Erlebnisse und Gefühle der ehemaligen Bewohnerinnen eingeschrieben wären. Neben den Fotografien sind in der Ausstellung auch lyrische Texte von Grid Marrisonie zu lesen, die in der Nachschau der Fotografien entstanden sind. Eine Installation auf dem Kornmarktplatz thematisiert das Verhältnis der Dienstbotinnen zu den Dienstherren. Die Intervention "5 Worte – 5 Orte" dokumentiert fünf Orten, die mit Agathe Fesslers Leben in Verbindung stehen (Geburtshaus, erstes Marienheim, zweites Marienheim, Leuchtturm am Molo und Kornmarktplatz). Darüber hinaus erzählen Originaldokumente und -objekte die Geschichte der Wohltäterin. Fessler hat sie 1929 vor ihrer Auswanderung nach Brasilien dem Vorarlberger Landesmuseumsverein übergeben, darunter der kaiserliche Orden, eine selbst verfasste und im Eigenverlag veröffentlichte Kriegsbiografie und ein Tagebuch.

Grid Marrisonie «Marienheim»
Sa 30. März bis So 16. Juni 2019 | im Atrium vorarlberg museum Bregenz
Öffnungszeiten Di bis So 10 - 18 Uhr Do - 20 Uhr , Montag geschlossen
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Aus dem Tagebuch von Agathe Fessler
1928 - "Jetzt gehen uns allen die Augen gründlich auf über eine solche Landesregierung. Und die hat noch die freche Stirn, sich christlich zu nennen. Vorarlberg, das Ländchen mit 140.000 Einwohnern, muss heute einen Statthalter, einen Landeshauptmann, Landesräte, Hofräte und Ministergehälter erhalten, eine Bauernkammer, der ein Palast gebaut wurde. Diese Leute hindern doch jede erspriessliche Volkswohlarbeit. Meine liebe arme Heimat – was ist aus Dir geworden? Mitleid, Grauen, Ekel, weiss nicht, welches Gefühl vorherrschend ist."
9. Dezember 1928 - "Soeben die Heimat verkauft. Gott sei Dank. Es klingt ja fast wahnsinnig. Was würden meine Eltern sagen? Und doch ist es so. Wenn mir das Herz auch fast bricht drüber, muss ich doch noch recht froh sein, fort, weit fort - In Brasilien hoffe ich, um das wenige Geld noch eine Heimat zu finden. Die ersten Tage des neuen Jahres 1929 werden mich dorthin führen. Nehme meinen Rest an Kraft, Mut und Gottvertrauen zusammen […]"

Programm

Fr 29. März, 17.00 Uhr - Vernissage
u. a. mit einer Lesung von Grid Marrisonie. Musik: Michal Svoboda (Gitarre)

Mi 03. April, 19.00 Uhr - Vortrag Meinrad Pichler
Agathe Fessler – Selbstverwirklichung im Dienst an anderen

Fr 26. April, 16.30 Uhr - Führung
mit der Künstlerin Grid Marrisonie und dem Historiker Meinrad Pichler

Di 14. Mai, 15.00 Uhr - Erzählcafé: Das Bregenzer Marienheim

Do 16. Mai, 18.00 Uhr -
Führung

mit der Künstlerin Grid Marrisonie und der Kuratorin Ute Pfanner

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