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«Dubuffets Liste»

Veröffentlicht in Ausstellungen | Kunst (Archiv)

Di 06. Dezember 2016 bis So 12. März 2017 | Museum im Lagerhaus St.Gallen
Öffnungszeiten Di bis Fr 14–18 Uhr / Sa, So, Feiertage 12–17 Uhr

1945 prägt der französische Maler Jean Dubuffet (1901–1985) den Begriff ‹Art Brut› für eine ungeschliffene, nichtakademische Kunst, die auch sein eigenes künstlerisches Schaffen beeinflusst. Fünf Jahre später am 11. und 12. September 1950 besucht er die Sammlung Prinzhorn der Psychiatrischen Universitätsklinik in Heidelberg. Er kennt Hans Prinzhorns epochales Buch ‹Bildnerei der Geisteskranken› (1922). Wie für viele Künstler war es auch für Dubuffet ein wichtiger Wegweiser künstlerischer Ausdrucksmöglichkeiten jenseits einer ‹art culturel›.

«Dubuffets Liste»
Jean Dubuffets Kommentar zu Meisterwerken der Sammlung Prinzhorn

In Heidelberg protokolliert und bewertet Dubuffet die gesehenen Werke in einer Liste, meist mit knappen Worten wie ‹extrêmement intéressant› (‹ausserordentlich interessant›), ‹admirable› (‹bewundernswert›), ‹médiocre› (‹mittelmässig›) oder ‹pas bien› (‹nicht gut›). Mehrfach verweist er unter Angabe der von Prinzhorn verliehenen Pseudonyme auf Reproduktionen in Prinzhorns Buch.
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Ausstellung und Katalog sind eine Übernahme von der Sammlung Prinzhorn. Für die Präsentation im Museum im Lagerhaus wurde die Auswahl der Werke in Einzelfällen angepasst. Anhand seiner Liste rekonstruiert die Ausstellung Dubuffets Blick auf die Sammlung Prinzhorn und gibt einen neuen Einblick in sein Verständnis der Art Brut. Zu sehen sind 100 Werke von 33 KünstlerInnen, darunter die zehn ‹schizophrenen Meister› Hans Prinzhorns von dessen Bewertung sich aber Dubuffet auffällig distanziert. Gezeigt werden aber auch Künstler, die in Hans Prinzhorns Buch "Bildnerei der Geisteskranken" unberücksichtigt blieben und aufgrund von Dubuffets Bewertung nun erstmals ins Licht der Öffentlichkeit rücken. Einbezogenen in die St. Galler Ausstellung ist zudem eine Zeichnung von Jean Dubuffet aus dem Jahr 1948, die exemplarisch den Einfluss der Art Brut auf sein eigenes Kunstschaffen repräsentiert

Jean Dubuffet (1901-1985) war ein einflussreicher französischer Maler und Bildhauer. Aus einer Familie von Weingrosshändlern in Le Havre stammend, konnte sich der künstlerisch Begabte lange nicht zwischen den Berufen Weinhändler und Künstler entscheiden. 1942, mittlerweile wirtschaftlich unabhängig, entschied er sich endlich doch für eine Künstlerische Karriere. Ab 1944 stellte er Werke in Galerien aus, die von naiver Malerei, Graffiti und Kinderzeichnungen beeinflusst waren. Zugleich begann er originelle, ‹kulturell unbeeinflusste› Laienkunst zu sammeln, die er vorwiegend in psychiatrischen Anstalten fand. 1945 prägte er dafür den Begriff ‹Art Brut›. Bald darauf begann er, seine wachsende Sammlung unter diesem Label auch auszustellen und damit Front zu machen gegen die etablierte ‹art culturel›, die er der Korruption verdächtigte. Ab 1962 kreierte Dubuffet ‹Hourloupe›, eine neue Kunstsprache in Malerei und Plastik, die aus schwarzumrandeten Zellen in Weiss, Blau, Rot und Gelb aufgebaut ist. 1973 entstand daraus das Bühnenspektakel ‹Coucou Bazar›. Den grössten Teil seiner Art Brut-Sammlung vertraute Dubuffet 1952 dem befreundeten amerikanischen Künstler Alfonso Ossorio an, der die Werke in East Hampton ausstellte. 1962 kamen sie zurück nach Paris. Schliesslich übergab Dubuffet seine Sammlung der Stadt Lausanne, die sie als ‹Collection de l'Art Brut› seit 1976 der Öffentlichkeit zugänglich macht.
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Hans Prinzhorn (1886-1933) der Kunsthistoriker und Assistenzarzt der Heidelberger Psychiatrischen Klinik legte zwischen 1919 und 1921 eine Sammlung bildkünstlerischer und schriftlicher Werke von Anstaltsinsassen an. Heute würde man von so genannter ‚Outsider Art‘ und Aufzeichnungen Psychiatrie-Erfahrener sprechen. Jean Dubuffet ist der erste Künstler nach dem Zweiten Weltkrieg, der die Sammlung Prinzhorn besucht. Zur gleichen Zeit wird die Sammlung auch in Avantgarde-Kunstkreisen wieder wahrgenommen. Bis in die frühen 1930er Jahre hat eine Reihe von Künstlern die Sammlung besucht, doch nach dem Zweiten Weltkrieg ist es ruhig um sie geworden. Die Werke sind zu dieser Zeit in zwei Schränken verwahrt und nicht ausgestellt. Viele haben vermutlich gedacht, sie seien während NS-Zeit und Zweitem Weltkrieg vernichtet worden. Doch sie ist von den nationalsozialistischen Psychiatern verschont geblieben, vermutlich weil ein Teil der Werke in der Wanderausstellung ‹Entartete Kunst› (1937–1941) als Vergleichsmaterial zur Kunst der Moderne zur Verfügung gestellt wurde. Die einzigartige Sammlung Prinzhorn ist seit September 2001 öffentlich zugänglich, nachdem das ehemalige Hörsaalgebäude der Neurologischen Klinik für Museumszwecke umgestaltet wurde.

Vernissage: Mo 05. Dezember - 18.30 Uhr Begrüssung: Dr. Monika Jagfeld, Museumsleiterin Einführung: Ingrid von Beyme, Kuratorin Sammlung Prinzhorn

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