«Kudlich – eine anachronistische Puppenschlacht» von Thomas Köck

Geschrieben von regio4you am . Veröffentlicht in Bühne | Literatur (Archiv)

Gastspiel Di 13., Mi 14. und Do 15. Juni 2017 - 20:00 Uhr | Theater KOSMOS, Bregenz

Wien im März 1848 – die drei Jahrzehnte seit dem Wiener Kongress haben eine bleierne Restaurationszeit gebracht, der Feudalismus besteht weiter und die Hoffnungen auf Demokratie und Freiheit haben sich nicht erfüllt. Doch unter der Oberfläche der Ständegesellschaft gärt es und Umbrüche beginnen sich anzudeuten. Einer der Protagonisten der Rebellion - Hans Kudlich. Thomas Köck verwendet die Biographie Hans Kudlichs als Folie, vor der er humorvoll und poetisch Fragen nach Revolution und Widerstand aufwirft. Lustvoll springt er dabei zwischen Historie und Gegenwart hin und her und erzählt über die Ambivalenz der Freiheit.

«Kudlich – eine anachronistische Puppenschlacht»
Regie: Marco Štorman | Bühne & Kostüme: Jil Bertermann | Musik: Gordian Gleiss | Dramaturgie: Tobias Schuster

170613 kudlich 2a170613 kudlich 4aObwohl bei einer Demonstration durch ein Attentat lebensgefährlich verwundet, lässt sich der Sohn einer Bauernfamilie von seinem Kampf für die Freiheit nicht abbringen. Er zieht mit 25 Jahren als jüngstes Mitglied in den österreichischen Reichstag ein. Im Juni 1848 legt er dort den Gesetzentwurf zur Aufhebung der Leibeigenschaft vor und geht dadurch als Bauernbefreier in die Geschichte ein. Kaum ist die Freiheit von den Feudalherren erkämpft, stellt sich allerdings die Frage nach der Zukunft: Die Bauern brauchen nun Kredite für eigene Höfe und so führt ihre Befreiung in die Abhängigkeit von der neugegründeten Raiffeisenbank. Ihre Freiheit, ein vergiftetes Geschenk? Aus Leibeigenen werden plötzlich Agrar-Ökonomen – das Unternehmertum mit allen verbundenen Chancen und Risiken ersetzt die sichere Unfreiheit des Feudalismus.

Der Philosoph Byun-Chul Han, der mit seinem Begriff von der "Müdigkeitsgesellschaft" die vielleicht prägnanteste Analyse der letzten Jahre gestellt hat, spricht davon, dass unser System "von der Fremdausbeutung auf die Selbstausbeutung" schalte, "weil dies mehr Effizienz und mehr Produktivität generiert, alles unter dem Deckmantel der Freiheit." Die Folge sei die grassierende Überforderung des Einzelnen, die zu immer mehr psychischen Erkrankungen führt. Ist die Freiheit im Kapitalismus eine neue Form der Unterdrückung, indem sie die Menschen zur permanenten Selbstausbeutung und Optimierung nötigt?

Thomas Köck, geboren 1986 in Steyr und einer der vielversprechendsten jungen deutschsprachigen Autoren, ist aus dem AutorInnen-Wettbewerb, den die Theaterallianz im Jahr 2015 anlässlich des 200jährigen Jubiläums des Wiener Kongresses ausgeschrieben hat, als Sieger hervorgegangen. Sein ebenso komischer wie sprachlich virtuoser Parforceritt durch die Restaurationszeit arbeitet sich an Vorbildern wie Kleist und Büchner ab und spielt immer wieder mit möglichen Parallelen zwischen unserer Gegenwart und der Restaurationszeit nach dem Wiener Kongress. "Geistesgrössen " beider Epochen von Georg Büchner bis Arabella Kiesbauer treffen aufeinander, bis sich zuletzt die Frage nach Revolution und Widerstand in der Gegenwart stellt. Obwohl unsere westlichen Gesellschaften momentan durch die grassierende Angst vor dem Fremden beinah gelähmt wirken und unfähig zur inneren Reform - Müsste nicht weiter für Freiheit und Gerechtigkeit gekämpft werden? Der Soziologe Heinz Bude sprach kürzlich mit Blick auf die prekären Verhältnisse in Call Centern oder der Logistik-Wirtschaft von einem neuen "Dienstleistungsproletariat ", von Menschen, die trotz aller Sozialgesetzgebung oft mehrere Jobs gleichzeitig machen und dennoch in Armut leben müssen. Stellt sich da nicht eine neue Soziale Frage? Oder sind die Menschen auch im 21. Jahrhundert, wie Büchner sagt, nur "Puppen, von unbekannten Gewalten am Draht gezogen"? Thomas Köck‘s Stück "Kudlich– eine anachronistische Puppenschlacht“ wurde im November 2016 vom Wiener Schauspielhaus mit grossem Erfolg uraufgeführt und wird 2017 in allen Partnerhäusern der Theaterallianz gastieren.

...Rotzfrech, stellenweise saukomisch und biedermeierpostmodern schreibt Köck über die Restaurierung der Restauration.“... Mottinger’s Meinung

Aufführungsdauer ca. 1 ¾ Stunden, keine Pause | Eintritt € 19.- | € 16.- | € 9.-
Kartenreservierungen: Online: www.theaterkosmos.at oder +43(0)5574-44034 an Vorstellungstagen ab 18 Uhr oder bei Bregenz Tourismus

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